Arbeitsprinzip “Weisheit statt Ego”

Wie uns das Prinzip “Weisheit statt Ego” im agilen Arbeitsalltag helfen kann.  

Das Meeting läuft zäh. Nach einer Weile spricht einer von uns das an: „Irgendwie kommen wir gerade nicht wirklich in einen Arbeitsflow. Wie seht ihr das?“ Nach einer kurzen Klärungsrunde, wie es jedem mit dem Meeting geht, sagt einer: „Ich fühle mich gerade nicht wohl. Kann mich nicht konzentrieren. Ich will aber dabei sein und ich weiß ich frage viel nach. Ich will unbedingt bei der Entscheidung dabei sein.“

Nach einer kurzen Diskussion entscheidet er sich, zu gehen, um innerlich zur Ruhe zu kommen. Das Team stimmt dem wohlwollend zu.

Plötzlich läuft das Meeting gut. Am nächsten Tag reflektieren wir gemeinsam in der Kaffeepause und stellen fest, dass es für alle dienlich war. Er konnte sich erlauben zu gehen. Sein Unwohlsein und seine Angst etwas zu verpassen hat er außerhalb des Teams überwinden können und das Team hat ihn dabei unterstützt, in dem es gemeinsam damit einverstanden war. Das Team hingegen konnte entspannt weiter arbeiten.

Wir arbeiten bei Leadership3 mit dem Prinzip „Weisheit statt Ego“.  Eng verbunden ist dies mit der Frage: Wie würde unsere Arbeitswelt sich verändern, wenn wir mehr Weisheit statt Ego im Alltäglichen leben würden? Sicherlich beides, Weisheit und Ego, aber eben etwas mehr Weisheit. Kann uns das helfen bei der Effektivität und Innovation unserer Unternehmung? Wir haben es erfahren. Ja!

Unter Ego verstehen wir Handlungen, die entweder aus unseren Bedürfnissen, aus unseren Ängsten oder aus unseren Erfahrungen heraus motiviert sind. Daran sieht man, dass unser Ego erst mal wertneutral ist. In manchen Situationen ist es sehr hilfreich, aus dieser Motivation zu handeln und in manchen Situationen eben nicht. Wenn in einem Meeting z.B. jemand unbedingt an seiner Position und Meinung festhält, das Meeting durch sehr viel reden und wenig zuhören dominiert, so ist das sicherlich wenig hilfreich für das gesamte Team. Oder manche Menschen, so haben wir es erlebt, haben Angst bestimmte Entscheidungen zu treffen oder sich auf etwas unsicheres Terrain zu begeben, um einer neuen Idee oder Innovation eine Chance zu geben.

Die Weisheit im pragmatischen Sinne besteht nun darin, zu unterscheiden, wann unsere Ängste und Motivationen berechtigt sind und einen wertvollen Beitrag fürs Ganze sind, oder wo es nur Gewohnheit ist. Zum Beispiel wenn jemand aus unserem Team immer Angst bei Entscheidungen hat. Dann können wir das wohlwollend anerkennen und Wege finden, damit umzugehen, ohne uns zu blockieren.

Wenn ein Team eine Arbeitskultur von „Weisheit statt Ego“ leben möchte, kann es folgendes konkret tun:

  1. Das Team unterstützt sich gegenseitig, dass jeder einzelne auf seine Grundbedürfnisse hört. Die Weisheit in der oben beschriebenen Situation war, die Situation so anzuerkennen wie sie ist. Wie es jemanden emotional geht, hat einen Effekt auf die Effektivität eines Meetings. Die Entscheidung, dass das oben erwähnte Teammitglied sich erstmal um sich kümmern kann, hilft dem ganzen Team.
  2. Weiterhin können wir uns gegenseitig daran erinnern, nicht bis aufs letzte an unseren Argumenten festzuhalten und stattdessen über unseren eigenen Schatten zu springen: „O.k. ich sehe das zwar anders, aber ich vertraue euch, dass ihr die richtige Entscheidung fällt. Ich habe alles gesagt, bezieht mein Argument in eure Entscheidung mit ein oder nicht. Bei beidem stehe ich dahinter.“
  3. Wir treffen Entscheidungen, auch wenn sie nicht perfekt sind. Auch wenn unser Ego Unsicherheiten und Bedenken hat. Denn im Sinne eines iterativen Vorgehens, sind kleine schnelle Entscheidungen gefragt. “Diesen Prototypen zeigen wir jetzt dem Kunden, auch wenn er noch peinlich ist. Er zeigt aber die Grundfunktionen und die wollen wir mit den Kundenbedürfnissen erstmal abklären, bevor wir daran weiterarbeiten.”
  4. Jeder sollte nur reden, wenn es notwendig ist. Also nicht alles bis ins kleinste Detail erzählen, wenn es gerade nicht hilfreich ist. Mehr zuhören, als reden. Ein daily stand up ist ein schönes Beispiel, in der fokussiert nur das allernötigste berichtet wird, um ein schnelles Arbeitstempo beizubehalten.
  5. Über die eigenen Schatten springen und mutig sein. Zum Beispiel unsere eigenen oder unternehmensspezifischen Überzeugungen in Frage stellen: „Wir müssen immer alles gemeinsam entscheiden.“ Ist es beispielsweise wirklich wichtig, dass wir eine Stunde lang zu 8 darüber diskutieren, ob wir einen blauen oder schwarzen Drucker kaufen? Oder delegieren wir das einfach an jemanden, damit er das entscheiden kann. Und wir anderen 7 uns mit etwas anderen hilfreichen beschäftigen können. Das Beispiel klingt fast übertrieben, aber wenn wir genau hinschauen, sehen wir viele Meetings, die genau so ablaufen. Und diejenigen die es merken, schweigen oft. Also, wenn du zu den Schweigenden gehörst: Das Team wäre sicherlich dankbar über deine Beobachtung.

Wir bei leadership³ haben dieses Prinzip in unseren Kanon der Arbeitsprinzipien aufgenommen, weil wir festgestellt haben, dass wir immer gut und flüssig zusammen arbeiten, wenn dieses Prinzip zum Tragen kommt. Wir nutzen dieses Prinzip auch oft in unserer Retrospektive. Wir werden uns auf einer Metaebene bewusst, was auch unterschwellig im Meeting gelaufen ist. Daraus kann dann jeder seine eigene Lernerfahrung für das nächste Meeting mitnehmen.

Die einzige Vorbedingung, dass dieses Prinzip im Team von allen gelebt werden kann, ist, dass sich alle auf dieses Prinzip verpflichten. Das kann zum Beispiel  in einer Retrospektive ganz schnell und einfach entschieden werden. Oder im Rahmen einer etwas längeren Teamreflektion. Ein gemeinsames Commitment stärkt das Vertrauen im Team, dass ich auch erstmal scheinbar unangenehme Dinge aussprechen kann. Denn an manchen Stellen wird es nicht einfach sein. Da hilft es, dass wir uns für diese Prinzip vorher entschieden haben, weil wir es für wichtig und hilfreich erfahren haben.

Uns bei Leadership³ hat dieses Prinzip sehr geholfen, dass wir in unseren gemeinsamen Arbeitsssessions präsenter für unsere Handlungen sind. Dadurch sprechen wir Störungen früher an und ein stockender Arbeitsprozess kommt bei uns schneller wieder in Gang.