Purpose statt Hamsterrad – 6 Schritte, endlich dein eigenes Leben zu leben

Hamsterrad

Als Kinder haben die meisten von uns gelernt, sich an den Erwartungen anderer zu orientieren. Genau das hindert uns heute oft daran, unseren eigenen Weg zu gehen – zu einem hohen Preis. Dieser Artikel hilft dir mit 6 ganz konkreten Schritten, dich von den Erwartungen anderer zu befreien und damit nicht nur glücklicher, sondern auch erfolgreicher zu leben.

Oft braucht es eine ausgewachsene Krise, um uns des Ausmaßes der Situation bewusst zu werden. Das, was viele Jahre gut ging und uns gedient hat, fühlt sich an wie eine Sackgasse. Burnout, Midlife-Crisis oder Depression sind einige der Schlagworte, mit denen versucht wird die Symptome zusammenzufassen und handhabbar zu machen. Die individuelle Situation ist trotz scheinbar gleicher Diagnose so einzigartig wie die Lebenswege der Menschen, die diese Label erhalten. Und doch gibt es wiederkehrende Muster, die oft erstaunlich ähnlich und universell in unserer Gesellschaft sind. 

Aber auch viele Menschen, die sich selbst nicht in einer akut krisenhaften Situation befinden, haben in letzter Zeit verstärkt zumindest eine leise Ahnung, dass ein Leben mit mehr Erfüllung, Sinn, Selbstbestimmung, Zufriedenheit, Flow und innerem Frieden nicht nur wünschenswert, sondern tatsächlich auch möglich ist. Charles Eisenstein spricht in diesem Zusammenhang auch von der Meuterei der Seele und deutet bereits mit dem Titel darauf hin, dass hinter den Symptomen eine tiefere Seelenbewegung liegt, deren Intelligenz wir guttun zuzuhören.

Die wenigsten von uns haben als Kinder kontinuierlich die Erfahrung gemacht, die Zuwendung, Unterstützung und Ermutigung zu bekommen, die wir eigentlich gebraucht hätten. Im Gegenteil: Oft haben wir von unseren Eltern oder spätestens in der Schule erfahren müssen, dass wir mit unseren Bedürfnissen, Ausdrucksformen und Emotionen zu viel sind. Zu laut, zu verträumt, zu wütend, zu impulsiv, zu lebendig oder zu widerspenstig… die Liste geht beliebig lang weiter. 

In unserer Entwicklung bewegen wir uns in dem Spannungsfeld zwischen Autonomie (oder Authentizität) und Bindung. Unser Wunsch, eigenständige Menschen zu sein und unseren Willen zu leben steht oft im Konflikt mit den Bedürfnissen anderer Menschen. Daher lernen wir früh, uns an vorgelebte und explizit oder implizit erwarteten Normen anzupassen, um die Liebe und Zugehörigkeit unserer Bindungspersonen zu sichern. 

Im Extremfall kann das dazu führen, dass wir die Bedürfnisse der anderen in dem Maße über unsere eigenen Bedürfnisse stellen, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse garnicht mehr wahrnehmen. In der Traumatherapie bezeichnet man diese Strategie des „Gefallen-Wollens“ auch als Fawning.

Wer musstest du sein, um Aufmerksamkeit von deiner Mutter und deinem Vater zu bekommen? 

Insbesondere bei High-Performern erlebe ich in meiner Coaching-Praxis, dass diese in ihrer Kindheit dann Zuneigung und Bestätigung erfahren haben, wenn sie gute Leistungen z.B. in der Schule oder im Sport erbracht haben. Genau diese Strategie, Anerkennung und Zugehörigkeit zu erfahren, wird dann auch im Studium und Berufsleben fortgeführt. 

Dahinter steht ein universelles menschliches Bedürfnis: Verbundenheit. Wir sind evolutionär geprägt, in sozialen Kontexten eingebunden zu sein und unsere Zugehörigkeit sicherte früher unser Überleben. Und so haben wir heute eine ganze Reihe von inneren Mechanismen entwickelt, um diese Zugehörigkeit sicher zu stellen, allen voran unser innerer Kritiker und Selbsturteile. Diese Urteile führen zu einem ständigen Vergleichen und Messen mit den Leistungen anderer – oft mit toxischen Auswirkungen auf unseren Selbstwert, unser Wohlbefinden und unsere Kreativität.

Selbstverständlich, wie das Wasser für den Fisch

Diese Strategie der „Anerkennung durch Leistung“ ist in vielen Teilen der Gesellschaft so selbstverständlich, dass es einem wie das Wasser in dem der Fisch schwimmt kaum auffällt und als Normal angenommen wird. 

Dabei birgt sie ein enormes Risiko. Diejenigen, die sich dieses Musters in sich mehr bewusst werden, erkennen zunehmend, dass sie einer Karotte an einer Angel hinterher laufen. Und diese hat im Hinblick auf die tatsächliche Erfüllung der zugrunde liegenden Bedürfnisse zudem einen abnehmenden Grenznutzen: Es erfordert immer mehr Leistung und Anstrengung, um den inneren Kritiker zu besänftigen und sich wirklich erfolgreich oder zumindest gut genug zu fühlen. Wir gehen über unsere Grenzen, arbeiten mehr als 60h pro Woche und entfernen uns dadurch mehr und mehr von uns selbst.

Und eine leise Stimme wird mit der Zeit kraftvoller, die sich in ihrer Essenz viel mehr danach sehnt, für das gesehen zu werden, wer sie wirklich ist und nicht als die Maske aus strahlenden Instagram-Fotos, hybridem Status-SUV, durchgestylter Penthousewohnung und geradlinigem Lebenslauf. 

Unser Wesen fängt an, unsere Liebe-durch-Leistung-Strategie, wenn auch unbewusst, zu sabotieren und Symptome tauchen auf, die das Hamsterrad nicht zum Stillstand, aber zum Quietschen bringen. Und vielleicht braucht es genau dieses Quietschen, um uns auf das Hamsterrad aufmerksam zu machen, dass von Innen wie eine Karriereleiter aussieht.

Selbst wenn die Symptome sich noch nicht in pathologischer Form äußern, erkennen wir vielleicht doch, dass wir mit unserer bisherigen Strategie an eine Glasdecke stoßen. Das, was uns dahin gebracht hat, wo wir heute sind und was uns bisher erfolgreich gemacht hat, wird uns nicht dahin bringen, wo wir eigentlich hin wollen, wenn wir uns wirklich erlauben groß zu träumen.


Selbst-Checkin

Wenn du bis hierhin gelesen hast, magst du für dich vielleicht einen Moment inne halten, durchatmen und ggf. den Artikel für einen Moment zur Seite legen, um das Gelesen zu verdauen und für dich zu prüfen, was davon auf dich und dein Leben zutrifft.

  • Worin erkennst du dich wieder?
  • Welche Ansprüche hast du an dich, um das Gefühl zu haben genug zu sein? Wieviel Geld musst du verdienen? Welches Bild aufrecht erhalten? 
  • Was nimmst du jetzt gerade wahr, wenn du dir diese Fragen stellst?

6 Schritte, die Liebe-durch-Leistung-Strategie zu transformieren und deinem Purpose näher zu kommen

Egal ob du merkst, dass die Vision dessen was du erreichen willst mit deinen alten Strategien nicht verwirklicht werden kann, genervt bist von der Unnachgiebigkeit deiner/s inneren Kritiker_in, die Glasdecke des nie-genug im Job oder gar lähmende Tendenzen wie hohes Stress-Level, Burnout oder gar Depression bei dir feststellst – in jedem dieser Fälle lohnt es sich, genauer hin zu schauen und dein Verhalten zu überprüfen. Im Folgenden Abschnitt erfährst du Schritt für Schritt, wie du dein bisheriges Muster umarmen und dadurch transformieren kannst.  

Du kannst diese 6 Schritte als Selbstcoaching-Prozess für dich durchlaufen. Dafür solltest du dir 20 Minuten ungestörte Zeit nehmen. 

  1. Bewusstsein schaffen

    Der wichtigste Schritt, jedes Muster zu verändern, ist Bewusstsein. Wir müssen das Wasser, das uns umgibt, spüren und wir müssen, manchmal schmerzhaft, mit den Konsequenzen dieses Musters in Berührung kommen. Das ist der erste Schritt, in uns die notwendige Bereitschaft und Energie zu aktivieren, dieses Muster zu verändern. Daher schau dir dein Muster genau an! 

    • Wo versuchst du durch die Erfüllung der scheinbaren Erwartungen anderer, oftmals internalisiert durch unseren eigenen inneren Kritiker, Zugehörigkeit und Bestätigung zu bekommen?
    • Welche Auswirkungen hat das auf dein Leben? Wie hat dir dieses Muster bisher gedient? Was ist aber auch der Preis, den du im Beruf, im Privatleben und im Bezug auf die Beziehung mit dir selbst dafür zahlst? 
    • Was wäre möglich, wenn du dieses Muster nicht mehr bedienen müsstest?
  2. Dich selbst wertschätzen und die Strategie anerkennen

    Die Strategien unsere Bedürfnisse zu erfüllen reichen oft weit in unsere Kindheit zurück. Als Kind hast du eine großartige Strategie gefunden, mit der herausfordernden Situation umzugehen, dass ein wichtiges Kernbedürfnis (bedingungslose Verbundenheit mit unseren Bezugspersonen) nicht vollständig erfüllt war. Du kannst dir sicher sein, dass du damals die beste Strategie gewählt hast, die dir zur Verfügung stand – auch wenn sie inzwischen einen hohen Preis hat. In jedem Fall hat sie dich aber dahin gebracht, wo du heute bist und dir all den Erfolg ermöglicht, den du heute erlebst. Es ist also mehr als gerechtfertigt, deinem jüngeren Selbst (DIR!) zu danken und dich dafür wertzuschätzen, dass du diese Strategie gefunden und dich so geschützt hast! Dazu kannst du dir einmal bewusst Zeit nehmen und eine innere Reise zu deinem jüngeren Selbst machen:

    • Begib dich an einen ruhigen Ort, wo du frei bist von Störungen im Außen
    • Schließ deine Augen und nimm ein paar tiefe Atemzüge. Stell dir nun vor deinem inneren Auge vor, wie du als junges Kind warst. Begegne dir als der Erwachsene, der du heute bist und erlaube dir, in Dialog zu treten, mit deinem inneren Kind. Drücke die Dankbarkeit aus, die du tatsächlich in deinem Herzen fühlst und lausche, ob dein Kind dir etwas mitteilen möchte:
      • Wie nimmst du dein inneres Kind wahr? Ist es aufgeschlossen, neugierig, lebendig? Oder zurückhaltend, schüchtern, ängstlich? Nimm es einfach wahr, ohne zu werten.
      • Wie geht es dem Kind in dir damit, dir zu begegnen? Wie ist eure Beziehung? 
      • Was wünscht sich dein inneres Kind heute von dir?
  3. Das Bedürfnis dahinter identifizieren

    Eine wichtige Unterscheidung aus der gewaltfreien Kommunikation ist die zwischen Bedürfnis und Strategie. Wir alle haben einige universelle menschliche Bedürfnisse – lediglich die Strategien diese zu erreichen, sind unterschiedlich. So ist es also nicht möglich, deine Kernbedürfnisse grundlegend zu verändern – deine Strategien zur Erreichung der Erfüllung dieser Bedürfnisse schon. 

    • Was ist also dein Bedürfnis, welches du mit der Strategie anderen (z.B. durch Leistung) gefallen zu wollen erreichen möchtest? 
    • Wie würdest du dich fühlen, wenn dieses Bedürfnis erfüllt wäre?
  4. Eine neue Strategie entwickeln

    Sobald du deine Strategie von dem dahinter liegenden Bedürfnis losgelöst hast, kannst du dich fragen, welche neue Strategie dir dieses Bedürfnis mindestens genauso gut, wenn nicht besser, erfüllen würde, ohne die negativen Konsequenzen zu haben. 

    • Wie kann ich mir mein Bedürfnis nach XYZ erfüllen, ohne über meine persönlichen Grenzen zu gehen?
    • Welche Form von Unterstützung wünsche ich mir dabei von anderen?
  5. Neue Strategien als Gewohnheiten etablieren

    Sobald du für dich neue Strategien gefunden hast, ist es wichtig, diese zu üben und im besten Fall in tägliche oder wöchentliche Routinen einzubinden. Erst durch regelmäßige Wiederholung neuer Gewohnheiten kannst du bisherige Muster wirklich verändern und so in deinem Leben verankern.

    • Beispiele:
      • tägliches Dankbarkeitstagebuch führen und Dinge auflisten, für die du dir dankbar bist
      • die Menschen identifizieren, die uns für das sehen und lieben, wer wir sind – unabhängig von dem, was wir tun oder leisten und mit ihnen mehr Zeit verbringen
      • täglicher Check-in mit einem Buddy oder wöchentlicher Austausch mit mehreren Gleichgesinnten, um das Bedürfnis nach Verbundenheit zu erfüllen
      • niedrigere Ziele setzen, Arbeitszeit reduzieren und die gewonnene Zeit für Selbstfürsorge und kreative Verwirklichung/Spiel nutzen
  6. Neue Klarheit als Entscheidungsgrundlage

    Je mehr du dir deines Musters bewusst bist, umso mehr kannst du die neue Klarheit als Ressource für wichtige Entscheidungen nutzen und erkennen, wenn du in alte Programme zurückfällst. So kannst du bei jeder wichtigen Lebensentscheidung prüfen, ob du aus deinem alten Muster handelst. 

    • Versuchst du mit der Entscheidung 
      • anderen gefallen zu wollen, 
      • Wertschätzung durch Leistung zu erhalten oder 
      • dich selbst zurück zu halten aus Angst davor, was andere denken?
    • Wenn ja, entscheide dich bewusst dagegen! Wie sähe es aus, wenn dein Bedürfnis nach Sicherheit, Verbundenheit, Wertschätzung ganz erfüllt wäre? Wie würdest du dich dann entscheiden?

Es ist Zeit, dein dir ganz eigenes Leben zu leben und dich von den vermuteten Erwartungen anderer an uns zu befreien. Denn tatsächlich wünschten sich auch deine Eltern in deiner Kindheit nichts sehnlicher, als dass du glücklich bist. Sie haben nur ihre eigenen Erwartungen an sich selbst auf dich projiziert, weil auch sie selbst keine bessere Strategie gelernt haben. 

Du hast die evolutionäre Gelegenheit, dein Betriebssystem upzudaten und für zukünftige Generationen neue Handlungsoptionen bereit zu stellen. Du kannst über deine Strategien und Muster hinaus wachsen – und nichts Geringeres verlangt die Welt heute von uns. Wir brauchen jede_n Einzelne_n in ihrer/seiner vollen Intensität, Lebendigkeit, Begeisterung und Leidenschaft um den Herausforderungen zu begegnen, denen wir uns als Menschen heute gegenüber sehen. 

Es ist Zeit uns von den begrenzenden Fesseln der Vergangenheit zu befreien, die volle Verantwortung für unser Leben zu übernehmen und unser ganzes Licht leuchten zu lassen.